Mittwoch, 5. Oktober 2005
Afrikanische Transgression
moravagine, 13:53h
Wer ihn nicht kennt, wird die moderne Faselei von Bourdieu über Baudrillard bis zu Dirk Baecker nicht verstehen können: Georges Bataille. Marcel Mauss und Durkheim hinter sich lassend, entwarf dieser eine sozioökonomische Theorie auf der Grundlage des indianischen Potlatsch-Ritus sowie mithilfe der Notion der Transgression.
Ersteres ist das bedingungslose Hinschenken von allen GESPEICHERTEN Vorräten, die ein Stamm über das Jahr sammelte. Wir erinnern uns an den Beginn der Kultur: Jäger und Sammler. Dieses Hinschenken war ein Akt der Kriegsführung bzw. des Beweises der Souveränität - wie es früher hieß- , um den beschenkten Clan derart zu beschämen, dass auch dieser Stamm seinerseits alles Wertvolle zusammensuchte, um wiederum alles herzugeben. Seine Souveränität erreichte der Clan, der die besten und umfangreichsten Geschenke verteilte.
Transgression ist das Gegenstück zu Regression. Es meint ein Überschreiten der Grenzen. Wer dabei systemisch denkt, sollte dies tunlichst vermeiden, da die Systemtheorie hier völlig versagt. Denn das Wesen der Transgression ist das Übersteigen der Grenzen und nicht das Ausloten zum Zweck der Konstituierung eines Systeminneren.
Bertalanffy, der reichlich mißverstandene Urahn des biologischen Systemgedankens, dachte ja an offene Systeme und den Austausch zwischen ihnen. Bataille ging dabei anders vor: Er fokussierte das Individuum als Ursache und Vehikel der Grenzen.
"Wir leiden an unserer Isolierung in der diskontinuierlichen Individualität."
Die Transgression in erotischer Ekstase, in ritualisierten Morden und in vielen anderen Spielarten gebe Chancen, das Gefängnis des modernen Menschen, das Individuum als Erfindung gegen die christlichen Angstproduktionen, wieder zu verlassen.
Nun gibt es erstmals in diesem Jahrtausend welche, die die Grenzen nieder zerren. Diesmal - und überhaupt immer in Afrika - sind es willkürliche, politische Grenzen, die schnurgerade den Kontinent durchziehen und Clans, Traditionen und Lebensentwürfe voneinander trennen.
Die afrikanische Clanstruktur, die islamische Monomanie und der zwanghafte Pluralismus der Europäer stoßen in Ceuta aufeinander. Sie prallen aber nicht an den Stacheldrahtzäunen ab. Denn in mutiger und verzweifelter Transgression überwinden einige Menschen diese Gräben zwischen dem armen und politisch zerrissenen Afrika, in dem der Clash der Kulturen den Islam und reiche westliche Trusts gegen Schwarzafrika treibt und dem Europa eines ultrakonservativen Antroposophen namens Schily, der noch damit aufwuchs, dass Darwins Theorien gegen die biblische Überlieferung über die besondere Stellung des Menschen verstoßen.
Von offenen Systemen, Emergenz und Autopoiese schreibt keiner im Blick auf diese gesellschaftlichen Veränderungen in unserer Zeit - auf einem "fremden" Kontinent, der ja NICHT mehr kolonisiert und damit praktisch Außengelände der Welt ist..
Sie finden auch kein Gehör im französischen Straßencafé-Philosophismus rund um Hyperrealität und Signfikaten. Denn die Teilchenbeschleuniger der Informationsmaschinen sehen in Afrika einen weißen Fleck, den der Heilige Samariter aus Texas mithilfe von Monsanto, Bechtle und Pfizer zu einem einzigen Schwellenland mit Farben füllen will, die alle schon patentiert sind.
Von daher ist es schon verständlich, wenn die Schilys dieser Welt den Deckel gerne verschlossen halten wollen. Denn sonst laufen den Monsantos dieser Welt die Junkies des 3. Jahrtausends davon. Und das sind mitnichten Menschen, die wegen ihrer zu engen Hosen Rauschgift nehmen mussten wie dereinst die Schwachmaten der 70er, scusi, ich meine natürlich die Helden der Rockmusik.
Das sind ganz einfach Schwarzafrikaner, die wegen ihres Hungers patentierten Genmais anbauen sollen, weil ihnen sonst niemand die Wasserversorgung, die Schulen und die Straßen bauen wird für die Entwicklungshilfe, die wir jedes Jahr überweisen - im Namen und mit Aufsicht der heiligen Gesellschaft für technische Zusammenarbeit unter wohlwollendem und gütigem Schweigen der Entwicklungshilfeminister.
So werden Märkte gemacht. Klar das einige weise Menschen von dort nach Europa in das Land der seeligen transgredieren wollen. Ohne Ekstase - einfach nur wegen des Hungers, der Willkür und der Radfahrermentalität, die ein epidemisches Virus ist, dass seit der Zeit der Kolonisierung fast alle Kulturen erfasst hat.
Denn Macht entsteht NUR durch Gehorsam. Ansonsten ist Macht eine virtuelle Angelegenheit, eine Baudrillardsche Hyperrealität. Erst der Gehorsame verleiht dem Mächtigen die Omnipotenz. Das war auch schon vor Hegel so.
Hoffen wir, dass diese Menschen möglichst bald eine Zukunftsvision erhalten oder - noch besser - selbst gestalten können, die wenigstens von einem ethischen Gedanken gestreift wird.
Aber, wer im Namen des Herrn unterwegs ist, wie Schily, Bush und andere hoch gestellte Befehlsempfänger, der kann Eines niemals leisten: und das ist Reflexion. Wozu auch, das würde möglicherweise eine andere Art von Denken über Komplexität erfordern als die lustigen Systemtheoretiker mit Chaosforschung, Wechselwirkungen oder gar der Kybernetik.
Dann müsste allerdings das Netzwerk als Metatheorie geopfert werden. Ob das leistbar ist? Zurzeit sicher nicht, dafür sind MIT, Stanford und Oxbridge nicht gerüstet. Vielleicht Trinity.
Vielleicht aber auch Durban, Dubai oder Dar-es-sallam...
Denn Hinschenken sollen sie ja schon die afrikanischen Länder, was in ihnen steckt. Oder war das gar nicht der ursprüngliche Gedanke, dass andere Clans wie die Bushs den F(r)ei(u)nden in Afrika vorschreiben, dass sie alles her schenken sollen. Vielleicht liest der eine oder andere CIA-Mensch, der hier denken läßt, einfach mal ein Buch von Marcel Mauss über die Gabe.
Bücher sind übrigens diese viereckigen Pappdinger, die immer in den riesigen Zimmern in Regalen stehen, wo die kunstvoll ausgemergelten Frauen aus der Mittel- und Oberschicht gerne nach zukünftigen promovierten Arbeitsdrohnen ausschau halten, die ihnen Vorstadthäuschen mit schnuckligen Gärtnern bezahlen.
Ersteres ist das bedingungslose Hinschenken von allen GESPEICHERTEN Vorräten, die ein Stamm über das Jahr sammelte. Wir erinnern uns an den Beginn der Kultur: Jäger und Sammler. Dieses Hinschenken war ein Akt der Kriegsführung bzw. des Beweises der Souveränität - wie es früher hieß- , um den beschenkten Clan derart zu beschämen, dass auch dieser Stamm seinerseits alles Wertvolle zusammensuchte, um wiederum alles herzugeben. Seine Souveränität erreichte der Clan, der die besten und umfangreichsten Geschenke verteilte.
Transgression ist das Gegenstück zu Regression. Es meint ein Überschreiten der Grenzen. Wer dabei systemisch denkt, sollte dies tunlichst vermeiden, da die Systemtheorie hier völlig versagt. Denn das Wesen der Transgression ist das Übersteigen der Grenzen und nicht das Ausloten zum Zweck der Konstituierung eines Systeminneren.
Bertalanffy, der reichlich mißverstandene Urahn des biologischen Systemgedankens, dachte ja an offene Systeme und den Austausch zwischen ihnen. Bataille ging dabei anders vor: Er fokussierte das Individuum als Ursache und Vehikel der Grenzen.
"Wir leiden an unserer Isolierung in der diskontinuierlichen Individualität."
Die Transgression in erotischer Ekstase, in ritualisierten Morden und in vielen anderen Spielarten gebe Chancen, das Gefängnis des modernen Menschen, das Individuum als Erfindung gegen die christlichen Angstproduktionen, wieder zu verlassen.
Nun gibt es erstmals in diesem Jahrtausend welche, die die Grenzen nieder zerren. Diesmal - und überhaupt immer in Afrika - sind es willkürliche, politische Grenzen, die schnurgerade den Kontinent durchziehen und Clans, Traditionen und Lebensentwürfe voneinander trennen.
Die afrikanische Clanstruktur, die islamische Monomanie und der zwanghafte Pluralismus der Europäer stoßen in Ceuta aufeinander. Sie prallen aber nicht an den Stacheldrahtzäunen ab. Denn in mutiger und verzweifelter Transgression überwinden einige Menschen diese Gräben zwischen dem armen und politisch zerrissenen Afrika, in dem der Clash der Kulturen den Islam und reiche westliche Trusts gegen Schwarzafrika treibt und dem Europa eines ultrakonservativen Antroposophen namens Schily, der noch damit aufwuchs, dass Darwins Theorien gegen die biblische Überlieferung über die besondere Stellung des Menschen verstoßen.
Von offenen Systemen, Emergenz und Autopoiese schreibt keiner im Blick auf diese gesellschaftlichen Veränderungen in unserer Zeit - auf einem "fremden" Kontinent, der ja NICHT mehr kolonisiert und damit praktisch Außengelände der Welt ist..
Sie finden auch kein Gehör im französischen Straßencafé-Philosophismus rund um Hyperrealität und Signfikaten. Denn die Teilchenbeschleuniger der Informationsmaschinen sehen in Afrika einen weißen Fleck, den der Heilige Samariter aus Texas mithilfe von Monsanto, Bechtle und Pfizer zu einem einzigen Schwellenland mit Farben füllen will, die alle schon patentiert sind.
Von daher ist es schon verständlich, wenn die Schilys dieser Welt den Deckel gerne verschlossen halten wollen. Denn sonst laufen den Monsantos dieser Welt die Junkies des 3. Jahrtausends davon. Und das sind mitnichten Menschen, die wegen ihrer zu engen Hosen Rauschgift nehmen mussten wie dereinst die Schwachmaten der 70er, scusi, ich meine natürlich die Helden der Rockmusik.
Das sind ganz einfach Schwarzafrikaner, die wegen ihres Hungers patentierten Genmais anbauen sollen, weil ihnen sonst niemand die Wasserversorgung, die Schulen und die Straßen bauen wird für die Entwicklungshilfe, die wir jedes Jahr überweisen - im Namen und mit Aufsicht der heiligen Gesellschaft für technische Zusammenarbeit unter wohlwollendem und gütigem Schweigen der Entwicklungshilfeminister.
So werden Märkte gemacht. Klar das einige weise Menschen von dort nach Europa in das Land der seeligen transgredieren wollen. Ohne Ekstase - einfach nur wegen des Hungers, der Willkür und der Radfahrermentalität, die ein epidemisches Virus ist, dass seit der Zeit der Kolonisierung fast alle Kulturen erfasst hat.
Denn Macht entsteht NUR durch Gehorsam. Ansonsten ist Macht eine virtuelle Angelegenheit, eine Baudrillardsche Hyperrealität. Erst der Gehorsame verleiht dem Mächtigen die Omnipotenz. Das war auch schon vor Hegel so.
Hoffen wir, dass diese Menschen möglichst bald eine Zukunftsvision erhalten oder - noch besser - selbst gestalten können, die wenigstens von einem ethischen Gedanken gestreift wird.
Aber, wer im Namen des Herrn unterwegs ist, wie Schily, Bush und andere hoch gestellte Befehlsempfänger, der kann Eines niemals leisten: und das ist Reflexion. Wozu auch, das würde möglicherweise eine andere Art von Denken über Komplexität erfordern als die lustigen Systemtheoretiker mit Chaosforschung, Wechselwirkungen oder gar der Kybernetik.
Dann müsste allerdings das Netzwerk als Metatheorie geopfert werden. Ob das leistbar ist? Zurzeit sicher nicht, dafür sind MIT, Stanford und Oxbridge nicht gerüstet. Vielleicht Trinity.
Vielleicht aber auch Durban, Dubai oder Dar-es-sallam...
Denn Hinschenken sollen sie ja schon die afrikanischen Länder, was in ihnen steckt. Oder war das gar nicht der ursprüngliche Gedanke, dass andere Clans wie die Bushs den F(r)ei(u)nden in Afrika vorschreiben, dass sie alles her schenken sollen. Vielleicht liest der eine oder andere CIA-Mensch, der hier denken läßt, einfach mal ein Buch von Marcel Mauss über die Gabe.
Bücher sind übrigens diese viereckigen Pappdinger, die immer in den riesigen Zimmern in Regalen stehen, wo die kunstvoll ausgemergelten Frauen aus der Mittel- und Oberschicht gerne nach zukünftigen promovierten Arbeitsdrohnen ausschau halten, die ihnen Vorstadthäuschen mit schnuckligen Gärtnern bezahlen.
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