Moravagine malt immer noch.
Dienstag, 27. September 2005
www.demut.de
Es artet mittlerweile aus. Ich komme mir vor wie ein spinnerter Sammler, der exotische Käferarten aufspiesst und in großen Glaskästen der Welt zeigt. Wie einstmals das literarische Schwergewicht Ernst Jünger sein Faible für Insekten mit virtuoser Finesse parktizierte, suche ich abseitige Websites abseitiger Menschenkinder aus den stinkenden Latrinen dieser herrlich pluralistischen Kloake namens Bevölkerung, die etwas entmenschlicht und entfremdet gerne mit Öffentlichkeit das bezeichnet, was offen sein möchte.

Eben rief mich meine verehrte 7/8-Juristin an und gab mir die geheime Schatzkarte aus Iridium, auf der in aramäischer Schrift der Weg zu einem der größten Ereignisse der Postmoderne eingraviert worden ist.

Unter www.demut.de findet der geneigte Leser ein Kleinod des menschlichen Zwangs nach Anerkennung und Beachtung.

Eine Sammlung von metanaturalistischen Websites, die selbst eingefleischte Futuristen von der Gültigkeit des alten Testaments überzeugen zeigt uns diese pittoreske Aufzählung.

Das Motto der ersten Station ist ganz grosses Programm für den großen Auftritt mit dem wehenden Mantel der Ewigkeit.

Demut ist das Fehlen von Stolz oder Arroganz; Niedriggesinntsein. Sie ist keine Schwäche, sondern eine Geisteshaltung, die Gott wohlgefällt.

Der Imperator und freiberufliche Apokalyptiker, der für dieses Füllhorn an durchgeistigten, profunden Erkenntnissen verantwortlich zeichnet ist seines Zeichens freiberuflicher Sozialmanager und hilft jeder Kreatur dieser Erde bei folgenden Wehwechen:

Meine `eigentlichen´ - alten - Fachbereiche sind:

* Sozialpsychologische Unternehmensberatung
* Verhandlungen
* Medizinische Aus- und Fortbildungen / Dienstleistungen ...

Es bleiben folgende, neuen Tätigkeiten unverändert bestehen:

* Reden u. Kommentare
* halten u./o. schreiben z. B. bei Anlässen aller Art.
Trauerbegleitung incl. Beerdigungsansprache und Vor- und Nachsorge.

Folgende, neue Tätigkeiten werden stark verändert:

* Sehr individuelle psychologisch abgestimmte Betreuung (= Sozialmanagement) einzelner Privatpersonen mit dem Ziel, die aktuelle Lebenssituation zu verbessern, also:
o Beheben der Armut (Sozialhilfe o. ä.)
o Lösung aus der Konsumgesellschaft
o Schaffung von Zukunftsperspektiven
o (Wieder-)Aufbau von Vertrauen in unsere Gesellschaft
o Vermitteln sozialer Kompetenz
o Bekämpfung von Arbeitslosigkeit


Das Ganze wird gekrönt durch eine Subsite des WIM-Verlags, der man konnte es fast erahnen, seinen Namen aufgrund einer Abkürzung erhielt: Weniger Ist Mehr!

Demütig bette ich mein Haupt auf die Steine der kruden Realität vor einer solch virtuosen Züchtigung der Pixel, vor einer derart leidenschaftlichen Textarbeit und - natürlich - vor dem Genie, das solche Leitungen in einem schier übermenmschlichen Kraftakt vollbringen kann.

Heil Dir im Siegerkranz!

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Freitag, 23. September 2005
Menschen konsumieren das Fremde...
und verlieren sich in der Selbstverwirkung...

Jetzt kommt der alte Thailand-Topos wieder in die Kinos. Waren es früher alternde und sabbernde Vorstadtcasanovas, die in Asien ihre Dressiertheit ( Verzeihung ihre Leistungsfähigkeit) beim Sex zum Zweck der Ichaufladung ausleben konnten; sind es nun Frauen in den besten Jahren - die seit der Emanzipation auch schon Anfang Dreißig stattfinden - die sich bei den armen schwarzen Männern dieser Welt etwas holen, was nur in der Phantasie derjenigen Männer existiert, die eben nicht jederzeit genug Geld für genug Frauen hatten. Diese Ängste haben einige Frauen offenbar für bare Münze genommen und deren vermeintliche Ursachen fälschlicherweise in animalischer Wildheit vermutet.

Und da es nun mal so ist, dass nicht die libidinöse Potenz sondern der Grad an Annehmlichkeit, den ein Mann verbreitet, über seine Karriere bei Frauen entscheidet, gehen die Geschichten bei den armen Männern der dritten Welt schief. Einerseits, weil die Frauen sich nicht von armen Menschen ausbeuten lassen wollen oder können und andererseits, weil die wilden Schwarzen eben einfach nur Menschen sind genauso wie der langweilige verlassene Sachbearbeiter bei der Lebensversicherung, der zwar Tausende Küchenmaschinen bezahlen konnte, nicht aber den Hunger nach Leben zu stillen vermochte.

Machte den jungen Frauen noch die unendliche Weite der Zukunft ohne beschützende und bezahlende Eltern soviel Angst, dass sie den Mann mit dem kleinsten Übel wählten, wurde die Sache nach dem ersten Kind oder der ersten Abtreibung anders.

Die Selbstverwirklichung treibt seit den Siebzigern nicht nur die Männer in einen Abenteuerzwang, auch die Frauen wollen an den 10 Geboten der Moderne teilhaben, die da heissen:

1-10 Gebot:
Du sollst alles, was neu ist, aufsaugen und ausquetschen und schauen, ob du nicht etwas davon als Dein lang ersehntes Innerstes (wieder)erkennen kannst.

Leider klappt das nicht beim Verreisen, weil die meisten Menschen eben nun mal das mitnehmen, was sie am ehesten vergessen wollen: sich selbst.

Leider klappt das nicht beim Sex, weil man zwar durch exzessive Körperlichkeit das Denken zeitweise vergisst, aber eben nicht für immer; und damit kommt die alte Person wieder zurück.

Leider klappt das auch nicht, weil das wilde, fremde Gegenüber derart mit zivilisierten Ängsten aufgeladen ist, die es nicht profund kennt, und gegen die es sich nicht wehren kann.

Vielleicht gibt es bald Filme darüber, wie exotisch und wild Taubstumme für den moderne Zwangsgestörten oder Neurotiker beiderlei Geschlechts sind. Denn denen gegenüber helfen keine sozialen Masken, keine psychopathischen Fluchten in Sexualität oder Erfolgszwang.

Man müsste durch echte Handlung wirken. Und wer kann das schon heutzutage. Ich meine Handlung, nicht Darstellung von Handlung. Ich meine Gefühle und nicht die Darstellung von Gefühlen. Ich meine Phantasie und Kreativität und nicht die Simulation deselben durch Seminare, Kurse und Ratgeber.

Wer lebt sich denn heutzutage noch selbst?

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Donnerstag, 22. September 2005
Juristische Personen werden nie herzkrank!
Hat jemand bemerkt, dass vor dem Hurrikan Katrina alle paar Tage eine Boing 737 abgeschmiert ist? Mal in Griechenland, mal in Indonesien oder in Südamerika. Erinnert an die Geschichte mit den minderwertigen, nachgemachten Ersatzteilen, die überall in der Welt für Allerweltsmaschinen verhökert werden.

Bei der Helios ist jetzt klar, dass es niemals jemals und unter keinen Umständen einen firmeninternen Grund geben konnte, der zum Absturz hätte führen können, weil die Piloten unbekannterweise und völlig plötzlich herzkrank waren, wie die Schweinstecher nachher feststellten. Schade, dass der Flugschreiber erst verschwand und dann doch auftauchte mit der Information, dass Sauerstoffmangel herrschte. Ob Sauerstoffmangel auch die Herzkranzgefäße in Mitleidenschaft zieht? Das wäre ja auch ein Wunder, wenn ein herzkranker Pilot mit zuwenig Sauerstoff im Blut keinen Absturz aufgrund seines Herzzustands zu verantworten hätte. Könnte ja sonst einen anderen Grund haben, der Absturz. Könnte. Aber so hat die Versicherung zufällig Glück und die Abgestürzten und deren Angehörige hatten zufällig Pech.


Manchmal kann Wissen Hohn sein. Vor allem, wenn es in Kontexten veröffentlicht wird, die jeder investigativen Berichterstattung spotten.

Ein Glück, dass juristische Personen immer besonderen Schutz genießen. Vielleicht liegt es daran, dass sie kein Herz haben, dass krank werden könnte...

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Sonntag, 18. September 2005
Der Garten macht blind.
So.
Eben mindestens 80qm umgegraben und danach lange über die weite der Ebene geschaut. Das kleine Mittelgebirge am Horizont hat heute keine schnell wachsenden Wolken umhergeschickt. Von Zeit zu Zeit wurden die Stimmen der Fußballer vom kleinen Platz im Nachbardorf vom leichten Wind herüber getragen. Ein paar Grillen zirpten und nach einiger Zeit bröckelte die schnell trocknende Erde vom Spaten. Es roch wie früher, als ich mit 9 oder zehn hinter den Bauerngärten "in der Grund" nach Fröschen und Feuersalamandern Ausschau hielt.


Paralleluniversum.
Ein Wunder, dass zur gleichen Zeit der Ehrgeiz und die falsche Form der Eris - es gibt ja laut Nietzsche noch die gute Form von Neid als Motor des künstlerischen und sportlichen Wettbewerbs - draußen in der Welt des humanen Ingenieurbaus namens Nation, eine neue Simulation an die kollektive Projektionswand der Zukunftsangst werfen. Die Spezies Mensch ist schon eine pittoreske Gattung.

Ob ich mich erinnere, wo ich meinen Wahlzettel liegen habe? Nein, meine Wahrnehmung ist sehr selektiv. Alles was Gestell ist, landet erst gar nicht in meinem Kurzzeitgedächtnis, es erreicht noch nicht mal meine Retina. Dort lagern sich nur Sonnenstrahlen, Blütenstaub und der Duft von frischer Erde an. Alles andere löscht mein ästhetisches und gesellschaftliches Antivrienprogramm bereits vor dem lokalen Speichern: Zu hoher SPAM-Wert!

Da werden Marginalen wie postalische Attachments in Berlin- oder Nigeria-SPAMMAILS mit Subjects wie "Wahl" oder "Ändern Sie Ihr Leben noch heute mit..." gleich geschreddert.

Da sage noch einer, der Mensch funktioniere nicht wie ein Computer. Allerdings hat offenbar nicht jeder upgedatete Viren/Blacklist-Dateien. Manche haben offenbar noch nichtmal minimale Eingangskontrollen in ihrer Wahrnehmung...

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Mittwoch, 14. September 2005
The lesson is clear...
there can be no safety in looking away!

Das sagte heute der ältere Herr aus Texas, der seinem Vater mit saudi-arabischem Geld ähnlich werden wollte. Und er bescheinigte der UN-Charta zum 60. Geburtstag eine gewisse Existenzberechtigung, da er bzw. sein Volk viel internationale Hilfe wegen des Hurricans Katrina erhielt. So wäre der Grundgedanke der UN einmal mehr im transnationalen Mitgefühl begründet.

Ob es wohl vor kurzem in seinem eigenen Land Menschen gab, von denen institutionell weg gesehen wurde?

War das tagelange strategische, zufällige oder gar taktische Wegsehen von den Verhältnissen rund um New Orleans nur eine Lektion gegen Sodom und Gomorra?

Was für eine Lektion war es wohl? Sicherheit braucht man am Golf von Mexiko nicht, weil man doch dort den Jazz hat?

Oder ist diese große Nation einfach nur in den Händen weniger kleiner Menschen mit narzistischer Störung. Ist es einfach so wie immer in Demokratien, dass die Menschen mit den stärksten seelischen Deformationen die besten Projektionsflächen für die Hoffnungen der Massen liefern? Einfach nur, weil sie niemals eine eigene authentische Persönlichkeit entwickeln durften wegen des enormen sozialen Drucks aus Familie, Gemeinde, Peer-Group etc. und ihre soziale Maske einfach perfekt ist?

The lesson is clear: Es dürfen nur noch diejenigen Politiker werden, die nachhaltig und grundsätzlich eigene Meinungen ohne Anleitung entwickeln können und die nicht aus den Sozialisationsmaschinen der religiösen, aufgeklärten oder gar postmodernen Horizonte kommen mit dem Siegerlächeln der Zugehörigkeit zu einem Großen und Ganzen, das als monistischer Realitätstunnel auch noch Wirklichkeit oder gar Wahrheit beansprucht. Vielleicht sollten zukünftige Politiker profunde Kenntnis im Konstruktivismus nachweisen müssen, dessen Fehler und Vorzüge in einer Art Führerschein gegen die Fehler und Vorzüge von religiösem und historischem Fundamentalismus so lange ausdiskutieren, dass beide öffentlich als mentale Repräsentation der kindlichen Ohnmacht einwandfrei entlarvt werden können.

Aber wir kennen ja den Umgang der modernen Welt mit autokogitiven Subjekten: Wer selber denkt, und sich nicht mit zitiertem und vorgekautem Gedankengut schmückt, wird günstigenfalls solange mit Isolationshaft im Universitätsleben oder schlechterdings an der Bushaltestelle bestraft, bis er oder sie ausreichend autoagressive Punkte gesammelt hat, dass er oder sie aus dem öffentlichen Leben verschwindet. Das geht doch auch schneller:

Werden wir doch gleich privat. Damit liegen wird im Trend der wenigen großen Familien, die mehr als die Hälfte der Welt besitzen.

The lesson is clear:
Going Private rules!

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